Die Systemfrage

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In unserem Jahresausblick für 2011 bezeichneten wir die vor uns liegende Zeit als die "schönste Galgenfrist aller Zeiten". Dieses Wortspiel sollte zum einen betonen, dass die Maßnahmen von Regierungen und Notenbanken, mehr Geld und Schulden zu produzieren um die Solvenzkrise in den Griff zu kriegen, zu steigenden Assetpreisen und damit zu einem gewissen Wohlbefinden an den Märkten führen könnte. Die gute Börsenphase der ersten sechs Monate ist darauf zurückzuführen.

Zum anderen ist eine Galgenfrist endlich und endet mit der Hinrichtung - die Solvenzkrise steuert demnach auf eine schreckliches Ende zu. Nach einer der schlimmsten Börsenwochen der letzten Jahren und anberaumten Notsitzungen für den heutigen Tag, stellt sich die Frage, ob sich die Galgenfrist nun dem Ende neigt und damit das Ziel des gesamten Finanzkrisen-Prozesses seit 2007 erreicht wird.

Versetzen wir uns in die Lage von Merkel, Baroso, Obama und Co. Mit viel Aufwand, viel Beratungsleistung durch "die Wölfe" (z.B. Deutsche Bank, Lockruf für Wölfe), viel Geld, vielen ungesetzlichen Eingriffen und notstandlichen Alternativlosigkeiten, haben sie nichts erreicht, außer das Leiden zu verlängern, die Kosten zu erhöhen und die Handlungsfähigkeit eingebüßt zu haben. Noch nicht einmal ihren "wohlverdienten" Sommerurlaub dürfen sie unbeschwert genießen. Wie fühlt man sich da? Vermutlich zornig, hilflos, depressiv, verzweifelt.

Dies sind die typischen Gefühle, die Menschen haben, wenn sie etwas Wichtiges verloren haben - und dies nicht zu akzeptieren bereit sind. Jetzt gibt es zwei Handlungsoptionen:

  1. Die Politik drückt sich weiter vor der Akzeptanz des Unausweichlichen herum. In diesem Fall setzt sich der Wahnsinn fort. Wahnsinn deshalb, weil erneut mehr von dem gemacht würde, was sich bereits als untauglich erwiesen hat. Dies geht faktisch nur über ein "all in", wie man im Poker sagen würde. Man schockt seine Mitspieler damit, alles auf eine Karte zu setzen. Die gemeinschaftliche Schuldenfinanzierung in Europa würde kommen mit Deutschland als Oberzahlmeister. Oder die EZB betreibt ein QE Europa (was in Bezug auf Haftung Deutschlands das gleiche bedeutet). Beide Varianten wären jedoch ein "bleuf". Vielleicht würde der eine oder andere Wolf am Tisch aufgeben, aber letztlich sicher nicht alle. Die Logik des Scheiterns der gewählten Politik liegt dafür schon zu sichtbar auf dem Tisch. Wird der Bleuf aufgedeckt, wird es sehr unangenehm.
  2. Die Politik akzeptiert, dass sie verzockt hat, wirft ihr Blatt weg und kapituliert.

Analysieren wir, was Variante 2 bedeuten würde.

Ein Mensch, der kapituliert, gibt sich und das, woran er festgehalten hat, auf. Er begibt sich in sein Schicksal und erträgt, was ihm dieses auferlegt. So wichtig wie die Akzeptanz des Verlustes auch ist, um den Kopf frei zu bekommen. So wichtig ist auch, diese Freiheit im Kopf dazu zu benutzen, die wahren Handlungsalternativen zu beleuchten. Denn diese haben es in sich!

Ich befürchte, dass Regierungen und Notenbanker, die einmal die Unmöglichkeit ihres Tuns erkannt haben, dazu neigen könnten, "tabula rasa" zu machen. Man könnte den Märkten die Schuld in die Schuhe schieben und massiv in diese eingreifen, in dem man die Börsen schließt, Banken verstaatlicht, bestimmte Händel oder Besitze verbietet. In diesem Falle würden wir die Kapitulation mit einem hohen Maße an Freiheitsverlusten bezahlen.

Eine andere Variante kann sein, den Euro als Schuldigen zu identifizieren und diesen faktisch zu zerschlagen. Entweder in dem man Griechenland und Co. rauswirft (das wäre eine Katastrophe) oder Deutschland (evtl. zusammen mit den Niederlanden und Österreich) austreten würde. Dies wäre zwar einfacher zu managen, als wenn Griechenland austreten würde, aber ebenfalls nicht wünschenswert.

Der sentix Vorschlag

Es gibt jedoch auch eine Variante, welche das Problem an der Wurzel packen würde, ohne in die Märkte einzugreifen - der "Investor-Put", also die Gewährung von kostenlosen Put-Optionen an alle Inhaber von Euro-Staatsanleihen, welche bei Ausübung quasi zu einem Schuldenrückkauf und damit zu einer Schuldenvernichtung führen würde (zu 100% auf Kosten derer, die diese Anleihen halten!).

Was macht diese Put-Lösung so viel besser, als alles andere, was bisher vorgeschlagen wurde?

Stellen Sie sich vor, sie haben ein Aktienportfolio und die Kurse fallen und fallen. Möglicherweise sogar unter ihren wahren Wert. In diesem Falle geraten sie entweder früher oder später in Panik und entledigen sich ihrer Risiken. Oder Sie erwerben eine Versicherung, die Ihnen das Risiko begrenzt. Sobald Sie die Versicherung abgeschlossen haben, weicht der psychologische Schmerz. Deshalb achten Analysten auf die Put-Umsätze in einem Bärenmarkt. Sobald alle unter Druck stehenden Anleger einen Put besitzen, ist der Bärenmarkt vorbei! Gleiches wäre der Fall, wenn jeder Anleihegläubiger eine solche Versicherung hätte!

Viele Pensionskassen, Versicherungem, Banken und Sparkassen halten Bestände in mehr oder weniger fragwürdigen Staatsanleihen. Die fallenden Kurse haben jedes Sicherheitsgefühl in diesen Papieren zerstört und es besteht die große Gefahr, dass nun ausschließlich aus Unsicherheit und Angst verkauft werden muss. Wären diese Bestände versichert - was automatisch bedeuten würde, dass die noch möglichen Verluste kalkulierbar wären - erhielten diese Investoren die notwendige Zeit, die Werthaltigkeit der Staatsanleihen nachhaltig zu bestimmen und dann zu entscheiden, die Versicherung in Anspruch zu nehmen (mit der Folge, dass effektiv auch Schulden vernichtet würden) oder die Bestände zu halten (mit der Folge, dass die Verkaufswelle wirklich gebrochen wäre).

Man kann die "bösen Derivate" auch in den Dienst der guten Sache stellen!

Die Schuldner, praktisch alle Staaten, bekämen dann die Zeit, aus dieser Krise die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Nämlich:

  • Abkehr von der Verschuldungswirtschaft
  • Ende der Verschwendungssucht des Staates
  • Abbau von Bürokratie und Stärkung der Selbstentscheidungsrechte des Bürgers
  • Beteiligung der Reichen am Lastenausgleich
  • Formulierung eines neuen Wertekonsens für die Gesellschaften.

Denn wenn dieser Läuterungsprozess nicht einsetzt, dann wird auch der smarteste Vorschlag letztlich fehlgreifen. Dann bleibt nur das "harte Ende", das ich mir nicht ausmalen möchte.

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