sentix Euro Break-up Index
Der sentix Euro Break-up Index (EBI) gibt die von den Anlegern wahrgenommene Wahrscheinlichkeit für ein Auseinanderbrechen des Euros innerhalb der nächsten zwölf Monate an. Da das wahrgenommene Risiko eines Zerfalls des Euroraums ein wichtiger Bestimmungsfaktor für die Renditen der Staatsanleihen Eurolands ist, eignet sich der Indikator dazu, das Verständnis der Entwicklung dieser Renditen zu erhöhen und deren Prognosen zu verbessern. Darüber hinaus gibt es nationale sentix Euro Break-up Indizes, die die Einschätzung der Investo-ren für die Wahrscheinlichkeit des Euro-Exits einzelner Länder widerspiegeln. Diese Indizes helfen dabei, relative Fehlbewertungen zwischen den Staatsanleihen der Eurozone aufzudecken. Mit dem „Index für das Risiko der Ausbreitung" steht schließlich noch ein zusätzliches, den EBI ergänzendes Risikomaß zur Verfügung.
Wie man den Indikator nutzt
sentix Euro Break-up Index für Euroland
Der sentix Euro Break-up Index (EBI) für Euroland gibt den prozentualen Anteil der Anleger an, die zu einem bestimmten Zeitpunkt damit rechnen, dass mindestens ein Land den Euroraum innerhalb der nächsten zwölf Monate verlässt. Damit kann er interpretiert werden als die Wahrscheinlichkeit für ein Auseinanderbrechen des Euros innerhalb dieses Zeitraums.
Das Risiko des Auseinanderbrechens des Euros ist eine wichtige Determinante für die Renditen der Staatsanleihen der Eurozone. Denn mit einem „Euro Break-up" würde sich einerseits die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihen desjenigen Staates verändern, der den Euro verlässt, und damit auch die Bewertung dieser Anleihen durch die Anleger. Andererseits würde es auch zu einer allgemein veränderten Wahrnehmung der Ausfallwahrscheinlichkeiten aller Bonds des Euroraumes kommen – mit Effekten auf die Renditen auch der übrigen Staatsanleihen des Euroraums. Dabei sind jedoch unterschiedliche Wirkungen auf die Titel der so genannten Peripherieländer und auf diejenigen der so genannten Kernländer zu erwarten (s. hierzu die Ausführungen weiter unten).
Vor diesem Hintergrund lässt sich der Index grundsätzlich als Prognoseinstrument für die Entwicklungen der Renditen der Staatsanleihen der Euroländer nutzen. Das zeigt beispielhaft Abbildung 1, in der der EBI tendenzi-ell einen Vorlauf vor der Entwicklung der Rendite (hier: 10-jähriger griechischer Anleihen) aufweist. Dieser Vorlauf ergibt sich daraus, dass in den EBI die Erwartungen der Anleger zum Ausdruck kommen und – veränderten – Erwartungen in der Regel Transaktionen (und Kursbewegungen) folgen, um alte Portfoliobestände an die neuen Erwartungen anzupassen und damit zwischenzeitlich entstandene kognitive Dissonanzen wieder aufzulösen.
Allerdings können auch Situationen auftreten können, in denen sich eine Mehrheit der Anleger bestimmten Finanzmarktentwicklungen verweigert, ohne dabei über ein Mehr an Wissen zu verfügen. In solchen Fällen verlieren die Erwartungen ihren Charakter als Richtungsindikator für die Renditeentwicklungen. Früher oder später kommt es dann zu einer Korrektur der Erwartungen, wenn die Investoren die Preisentwicklungen doch nicht mehr ignorieren (können). Die Folge ist dann häufig eine Verstärkung des beobachtbaren Preistrends. Um zu identifizieren, ob eine solche Verweigerungshaltung vorliegt oder nicht, müssen weitere Informationen zu Rate gezogen werden: über eine Analyse des Medienechos und der aktuell prägenden Researchmeinungen sowie mittels zusätzlicher Indikatoren. Im Falle des EBI kann z.B. der sentix Konjunkturindex unterstützend wirken: Zeigen bei diesem beispielsweise die Konjunkturerwartungen spürbar nach unten (was z.B. die Sanierung von Staatshaushalten erschwert), während der EBI ebenfalls fällt (das Risiko des „Break-up" also niedriger eingeschätzt wird), wäre diese Inkonsistenz ein Hinweis darauf, dass die Investoren bezüglich der „Euro Break-up"-Risiken zu sorglos geworden sind.
Nationale sentix Euro Break-up Indizes
Neben dem sentix EBI für Euroland, der aus Anlegersicht allgemein die Wahrscheinlichkeit für ein Auseinanderbrechen des Euros anzeigt, gibt es auch die nationalen sentix Euro Break-up Indizes. Diese spiegeln für die einzelnen Euro-Staaten die jeweiligen Euro-Exit-Wahrscheinlichkeiten wider. Grundsätzlich können die nationalen EBI ebenfalls als Richtungsindikator fungieren, nämlich für die Renditeentwicklung der zugehörigen nationalen Staatsanleihen (vgl. Abbildungen 2 und 3). Allerdings bestehen zwischen Peripherie- und Kernländern Unterschiede in den Zusammenhängen zwischen EBI und Renditen (s. Ausführungen unten).
Ein weiterer Anwendungsbereich der nationalen EBI ist der der relativen Bewertung von Staatsanleihen der Eurozone. Geht man davon aus, dass ein bestimmter Zusammenhang zwischen nationalem EBI und zugehöriger Staatsanleiherendite besteht, so müsste dieser über die verschiedenen Staaten hinweg weitgehend gleich sein. Treten hier aber für einzelne Länder Abweichungen von dem beobachtbaren Zusammenhang auf, wäre das ein Indiz dafür, dass eine Verzerrung bei den relativen Renditen vorliegt, die sich in der Regel im Zeitablauf verringern sollte. Da sich die Zusammenhänge für die Kernländer Eurolands und für die so genannten Peripherielän-der voneinander unterscheiden, werden Sie im Folgenden getrennt voneinander erläutert.
Nationale EBI und Renditen 10-jähriger Staatsanleihen für die Peripherieländer
Abbildung 4 stellt den Zusammenhang zwischen nationalen EBI und Renditen der Staatsanleihen der Peripherieländer dar. Abgetragen sind dort die 10-jährigen Renditen und die EBI, die sich aus den Einschätzungen der institutionellen Investoren ergeben, Stand Februar 2014. Es zeigt sich, dass für die Peripherieländer ein positiver Zusammenhang zwischen den nationalen EBI und den Bond-Renditen besteht. Dieser erklärt sich darüber, dass eine höhere Euro-Austrittswahrscheinlichkeit für ein Peripherieland auch eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit für dessen Anleihen bedeutet, wofür die Anleger wiederum eine höhere Risikoprämie in Form eines Renditeaufschlags fordern.
Erkennbar ist in Abbildung 4 eine deutliche Verzerrung für die relativen Renditen der Anleihen Portugals und der Anleihen Italiens, wenn man die nationalen EBI als Maßstab wählt. Denn der Datenpunkt für Portugal liegt oberhalb des ermittelten Zusammenhangs (also oberhalb der Regressionsgeraden) zwischen nationalen EBIs und zugehörigen Renditen. Damit weisen die portugiesischen Anleihen eine – gemessen an den EBIs – zu hohe Rendite im Verhältnis zu den übrigen Peripherieländer-Bonds auf. Für italienische Anleihen gilt der umgekehrte Fall. Daraus ergibt sich, dass portugiesische Bonds zum betrachteten Zeitpunkt gegenüber italienischen klar fehlbewertet, also zu billig waren (bzw. italienische Bonds relativ zu teuer). Und in der Tat hat sich in den auf Ende Februar 2014 folgenden Wochen der Renditeabstand zwischen den Anleihen der beiden Länder stark verringert!
Nationale EBI und Renditen 10-jähriger Staatsanleihen für die Kernländer
Auch für die Kernländer der Eurozone lassen sich Verzerrungen in den Renditen der Staatsanleihen mit Hilfe der nationalen EBI identifizieren. Allerdings ist hier der Zusammenhang ein anderer: Für die Kernländer geht ein steigender nationaler EBI mit einer sinkenden Rendite einher. Das ist damit zu erklären, dass die Investoren bei den Kernländern bereit sind, Sicherheitsprämien dafür zu zahlen, dass ein Land im Bedarfsfall aus einer Position der Stärke heraus den Euro verlassen kann. Die Prämie rechtfertigt sich dabei u.a. dadurch, dass nach dem Euro-Exit eines Kernlandes die neue Währung des aus der Union scheidenden Staats gegenüber anderen Währungen – und damit auch gegenüber dem Euro – aufwerten dürfte. Dadurch würde sich die Belastung aus Schulden in Fremdwährungen verringern, die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihen sinken.
Den beschriebenen Zusammenhang zeigt Abbildung 5, in der wiederum die nationalen EBIs der institutionellen Anleger den Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen gegenübergestellt sind. Stand ist abermals Februar 2014. Tatsächlich ist die Rendite hier umso niedriger, je höher die von den Anlegern wahrgenommene Euro-Exit-Wahrscheinlichkeit ist, also je höher die EBIs notieren. Eine auffallende Verzerrung zeigt sich hier bei belgischen Staatsanleihen, die gemessen an den nationalen EBIs eine zu hohe Rendite aufweisen. Gerade gegenüber den Titeln Österreichs wird das deutlich, für das die Anleger im Februar 2014 einen Euro-Exit für genau gleich wahrscheinlich hielten wie für Belgien. Dennoch rentierten die belgischen Bonds zu diesem Zeitpunkt viel höher. Diese Renditedifferenz sollte sich im Zeitablauf verringern, wenngleich wegen der Existenz anderer länderspezifischer Einflussfaktoren auf die Renditen diese nicht ganz verschwinden dürften.
sentix Contagion Risk Index (Ausbreitungsrisiko-Index)
Der sentix Contagion Risk Indicator („Index für das Risiko der Ausbreitung") ist ein gewichteter Durchschnitt aus den Indizes der drei Länder mit den höchsten nationalen Euro-Breakup-Indizes (s. hierzu Abbildung 6). Dabei wird der Wert des Landes mit dem zweithöchsten nationalen EBI doppelt und der Wert des Landes mit dem dritthöchsten nationalen EBI dreifach gewichtet, um den Index zu akzentuieren.
Für die Berechnung des sentix Contagion Risk Index werden nicht die nationalen EBI selbst herangezogen, sondern jeweils der Anteil der Nennungen eines Landes an den Gesamtnennungen aller Länder, für die die Anleger einen Euro-Austritt in den nächsten zwölf Monaten erwarten.
Ein Beispiel: Im Februar 2013 rechneten rund 80% derjenigen Anleger, die den Euro-Exit mindestens eines Landes erwarteten, damit , dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden würde. Dieser Wert von 80% geht in die „Contagion Risk Indicator"-Berechnung ein. Hinzu kamen die entsprechenden Werte von Zypern (57%) und Italien (16%), wobei der Wert für Zypern doppelt und der für Italien dreifach gewichtet wurde. Somit ergab sich ein „Contagion Risk Indicator" von rund 40%.
Die Berechnung des sentix Contagion Risk Indicator erfolgt unabhängig von der Höhe des sentix Euro Break-up-Index (gesamt), weil der Prozess der Ausbreitung als weitestgehend unabhängig von der Gesamtwahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens des Euros angesehen werden kann. Der sentix Contagion Risk Indicator ist damit ein eigenständiges Risikomaß neben dem sentix Euro Break-up Index (für Euroland), das die wichtige Zusatzinformation darüber liefert, für wie wahrscheinlich die Anleger zu einem bestimmten Zeitpunkt den Euro-Austritt gleich mehrerer Länder binnen Jahresfrist halten. Gerade in Zeiten, in denen der sentix EBI relativ hohe Werte annimmt und damit eine hohe Break-up-Wahrscheinlichkeit signalisiert, ist diese Zusatzinformation besonders wertvoll. Denn der mehr oder weniger gleichzeitige Euro-Exit mehrerer Staaten dürfte deutlich weitreichendere Folgen für die Finanzmärkte haben als der Austritt nur eines einzelnen Landes.
Abbildungen und Beispiele
Indikatorkonstruktion
Fragenkatalog
Die Fragestellung zum sentix Euro Break-up Index ist zweigeteilt. Zunächst werden die Anleger danach gefragt, ob sie mit dem Ausscheiden mindestens eines Landes innerhalb der nächsten 12 Monate aus der Eurozone rechnen (s. unten, Umfrage-Menüpunkt Nr. 18). Wird diese Frage mit „ja" beantwortet, erscheint für den Umfrageteilnehmer eine Übersicht, mit deren Hilfe er bis zu drei Länder benennen kann, mit deren Euro-Exit er rechnet (s. unten, Umfrage-Menüpunkt Nr. 19).
Berechnungsformel
Specifications
- Code: SEBI
- No. Serien: 63
- Start: 2012-06-21
- Rhythm.: monthly
- Fristigkeit: Lage
- Investor: Institutionelle, Privatanleger, Headline Index
- Land / Region: Euroland
- Frei verfügbar: sentix Website, Bloomberg L.P., Factset Research Systems Inc., IHS GlobalInsight, Refinitiv, Macrobond Financial, Haver Analytics
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